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Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?

Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?
20. März 2014 21:09
Moin! :-)

Ich habe eine Frage zur Dauer des Eloxiervorganges, welche ich mir auch durch langes Blättern und Google nicht beantworten konnte.

Die Berechnung der Dauer über Faustregel J=1.5 A/100cm ist ja ganz großartig und narrensicher im Servicebereich erklärt. Wirklich hilfreich für Hobby-Quereinsteiger im Übrigen, findet man heutzutage selten so etwas geduldig und ausgiebig erklärtes.

Mein Fall: mein Werkstück erfordert durch die relativ große Oberfläche eine theoretische Stromstärke von knapp 12 Ampere für 60 Minuten eloxieren. Umgerechnet also über zwei Stunden, da mein Netzgerät max. 5 Ampere rausgibt.

Nun ist es aber so, dass es sich für mich überall so anhört, als müsse man zu lange Baddauer unbedingt vermeiden. Klar, Zeit ist Geld und Geduld ist teuer, aber das wäre mir nun einfach mal egal. Ich frage mich nur, ob die Dauer auch einen qualitativen Einfluss auf das Eloxatergebnis ausübt. Meinem Verstand nach dürfte sie das nämlich nicht, sofern die direkt am Prozess beteiligten Parameter Stromdichte/Konz./Temp./Umwälzung stimmen?

Danke im voraus und beste Grüße,
D.
Re: Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?
21. März 2014 09:34
Hallo, D.!

Leider kann man den Eloxiervorgang nicht beliebig verlängern. Das hat seinen Grund in der Chemie des Vorganges:
Eloxieren ist Kristallwachstum, initiiert durch elektrischen Strom. Grundsätzlich ist es schon so, dass mehr Strom schnelleres Wachstum bedeutet, aber zuviel Strom bringt unregelmäßige, "mißgebildete" Kristalle mit abweichender Kristallgeometrie hervor. Die Eloxalporen werden gröber, je höher der Strom ist.
Gleichzeitig ist Eloxieren aber auch ein zwangsweiser Abbau der soeben durch den Stromfluss gebildeten Kristalle infolge der chemischen Aggressivität des notwendigen Elektrolyten, in unserem Fall der Schwefelsäure. Das wird als Rücklösung bezeichnet. Die Rücklösung ist abhängig von der Konzentration der Säure (je konzentrierter die Säure, desto höher die Rücklösung), der Temperatur der Säure (chemische Vorgänge laufen pro 10 °C Temperaturerhöhung doppelt schnell ab) und der Verweildauer in der Säure (doppelte Verweilzeit = doppelte Rücklösung).

Es gilt nun, einen Kompromiss zu finden zwischen Kristallaufbau und Rücklösung.
Einerseits soll der Kristallaufbau relativ langsam vor sich gehen, damit die Schicht gleichmäßig wird, andererseits so kurz wie möglich sein, um die Rücklösung in Grenzen zu halten.

In den langen Jahrzehnten seit der Erfindung des Eloxierens haben sich für den Hobby- und Kleinstgewerbebereich die folgenden Eckdaten als insofern ideal herausgestellt, als der Vorgang damit immer gute Ergebnisse bringt:

- Säurekonzentration ungefähr 15%, entsprechen einer Dichte von 1,1
- Badtemperatur zwischen 15 und 20 °C
- Stromfluss von 1,5 A/Quadratdezimeter
- Dauer des Vorganges eine Stunde

Wenn diese Eckdaten eingehalten werden, wird sich immer eine für das dekorative Eloxieren mit der Option der anschließenden Färbung geeignete Schicht in ausreichender Dicke bilden.
Kleine Abweichungen sind durchaus erlaubt, aber nur in relativ engen Grenzen.
So wird eine Säurekonzentration von 12% oder 17% kein Problem darstellen, eine Badtemperatur von 13°C zu Beginn ist auch kein Problem, die steigt durch den Stromfluss ohnehin in den "idealen" Bereich.
ABER ein Überschreiten der Obergrenze von 20°C ist wegen der höheren Rücklösung unbedingt zu vermeiden!
Es ist auch kein Problem, die Dauer auf ca. 90 Minuten zu erhöhen, wenn der maximal zur Verfügung stehende Strom nur 75% des berechneten Wertes für die Oberfläche beträgt.
Strom und Dauer sind aber nicht beliebig durcheinander ersetzbar; zu wenig Strom führt zu ungenügendem Schichtaufbau, sodass die Rücklösung überwiegt; zu viel Strom führt zu schlechter, grober Schicht bis zum Lochbrand im Grundmaterial; zu lange Dauer führt zu höherer Rücklösung; bei zu kurzer Dauer wird nicht genug Schicht gebildet, Kristallwachstum dauert eben seine Zeit.

Teuflischerweise ist die gemessene Badtemperatur keine Garantie für exzellente Ergebnisse. Die Wärme entsteht direkt in der Schicht, und genau von dort muss sie abgeführt werden. Das geht nur mit ausreichender Umwälzung des Säurebades, damit zu jeder Zeit an jeden Punkt des Werkstückes frische, "kühle" Säure herangeführt wird. Es sind in Versuchen an exponierten Stellen von Werkstücken direkt an der Schicht bis zu 70 °C gemessen worden. Was das für den Schichtaufbau bedeutet, dürfte klar sein. Umwälzung ist daher keine luxuriöse Option, sondern unbedingt notwendig!
Bei kleinen Bädern (5 - 10 Liter) und hohen Strömen ist zusätzlich noch eine Kühlung vorzusehen. Bei Einhaltung der oben erwähnten Eckdaten wird sich bei 10 A Strom eine Spannung von so ungefähr 18 V einstellen. Die resultierenden 180 Watt Leistung heizen das Bad ganz nett auf.

Grüße, Rudi

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Wenn Du sicher bist, richtig gemessen zu haben, miss nochmal!
Re: Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?
21. März 2014 09:36
Ich bin zwar auch nur ein Laie, aber da beim Anodisieren auch immer ein Abtrag in Form von Angriff durch die Schwefelsäure stattfindet, würde Dein Werkstück grob gesagt bei langer Anodisierdauer immer kleiner werden. Wenn ich es richtig verstanden habe wird die Eloxatschicht nicht unendlich dicker bzw die Poren tiefer weil gleichzeitig die Bereiche um die Poren abgetragen werden.
In Deinem Fall glaube ich aber nicht das 2 Stunden wirklich dramatisch sind, vom lesen her sind Leute auch nach 1,5 oder 2 Stunden zu recht zufriedenstellenden Ergebnissen gekommen.
Aber Herr Dube wird sich dazu sicherlich noch äußern :-)
Re: Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?
21. März 2014 09:52
Guten morgen!

Danke für die Antworten, vor allem auch die Ausführlichkeit von katerleo. Die Wichtigkeit von Parametern wie der Badumwälzung usw. ist mir bewusst und zum Glück kein neues Gebiet/Problem, da ich selber Chemiker bin. Neu für mich, und deswegen zum Glück nun erfahren, dass die Baddauer tatsächlich einen limiterenden Faktor darstellt. Ich war bis jetzt davon ausgegangen, dass sich die Dauer (bzw. die Rücklosung der Oxidschicht durch das Verweilen im Säurekontakt) durch den konstanten Stromfluss relativiert.

Könnte eventuell noch eine Erfahrungsbeurteilung über Pro/Contra abgegeben werden - sprich vernachlässigbar, da 2 Stunden völlig in Ordnung bei optimalen Bedingungen oder lieber ein neues Labornetzteil, da das bestmögliche Ergebnis durch die Dauer zu weit absinkt? (Ich habe deine Antwort auch dankbar zur Kenntnis genommen ChrisW :-) Allerdings fände eine Aussage aus direkter Erfahrung hierüber noch klasse, da mir ja in Ermangelung eines stärkeren Netzteils selbst für eigene Testreihen der Vergleich fehlen würde..)

Beste Grüße!
Re: Dauer Anodisierbad qualitativer Faktor?
21. März 2014 14:52
D. Fuchs:
... da mir ja in Ermangelung eines stärkeren Netzteils selbst für eigene Testreihen der Vergleich fehlen würde..)

Hallo, D.!

Du kannst durchaus eigene Testreihen erstellen:
Nimm ein Stück Aluminium, das von der Oberfläche her 5 A erfordern würde und eloxiere mit dem halben Strom (2,5 A) zwei Stunden lang. Oder mit 1,66 A drei Stunden lang. etc...
Diese Testreihen spiegeln zwar nicht exakt Dein Problem wieder, da mit sinkender Stromstärke auch die Wärmebelastung im Bad sinkt, womit von Haus aus weniger Rücklösung durch die Säure vorliegt, geben aber einen Anhaltspunkt dafür, wie lange jedenfalls "zu lange" ist.

Grüße, Rudi

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Wenn Du sicher bist, richtig gemessen zu haben, miss nochmal!
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