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Härte und Schichtdicke erhöhen

Härte und Schichtdicke erhöhen
23. April 2019 16:38
Hallo zusammen.

Ohne große Umschweife will ich gleich zum Thema kommen.
Meine Firma hat in diversen Größen Grobgewinde für schnellen Zusammenbau in Aluminumrohren und Vollmaterialwellen hergestellt (Ein Beispiel davon im Anhang).
Leider mussten wir feststellen dass das Aluminium durch die Reibung beim zusammenschrauben schnell Verschleißerscheinungen aufweist.
Da kam die Idee auf die Oberfläche der Gewinde zu anodisieren um eine härtere und Verschleißfestere Oberfläche zu erzeugen.

Mit einem Starterset ausgerüstet konnten wir bei Tests die Oberfläche der Aluminiumteile erheblich verbessern. Allerdings denke ich dass da noch immer viel Potential nach oben ist und das würde ich auch gerne nutzen.
Ich habe schon viel in diesem Forum gelesen, würde mir gerne dennoch die Meinung von Leuten anhören die einfach mehr Ahnung von dem Thema haben.

Zu dem Ablauf wie er bisher war (jedes Teil wurde einzeln gemacht).

- Teile mit Alkohol zur Vorreinigung abgewaschen
- Dann kamen die Teile für 15 Min in ein Reinigungsbad mit dem im Set mitgeliefertem Eloxal-Reiniger
- Anschließend wurden die Teile mit Wasser abgespült und an der Luft getrocknet
- Die Teile kamen für 50 Min in das Eloxierbad und wurden anschließend mit Wasser gespült
- Danach kamen die Teile für ca. 20 Min in ein ca. 40°C warmes Bad bestehend aus dest. Wasser und einem Farbzusatz
- Anschließend wurden sie nochmals mit Wasser abgewaschen
- Zu guter letzt wurden die Teile in destiliertem Wasser für ca 50 Min bei knapp unter 100°C gekocht


Das Eloxalbad war wie folgt aufgebaut:

Ein Rechteckiger PP Behälter mit ca 5l Fassungsvolumen. links und rechts als Kathoden zwei Kohleplatten ca. 150x100x5 [mm]. In der Mitte das zu Eloxierende Teil als Anode. Das Werkstück war hierbei nicht komplett im Bad, sondern nur bis zu der Höhe an dem das Gewinde aufhört. Der Strom lag bei ca 0,015 A pro cm² und wurde über ein Labornetzteil erzeugt.
Der Säuregehalt des Bads ist leider unbekannt, da die Mischung des Startersets nicht in der Beschreibung stand.
Bei den Tests ist das Becken sehr warm geworden, leider haben wir die Temperatur nicht gemessen.
Auch der genaue Werkstoff des Aluminiumteils ist uns nicht bekannt.


Um die Oberfläche noch Härter zu machen hatte ich an folgende Änderungen im Ablauf gedacht:

- Das jeweilige Teil nicht mehr mit normalem Wasser sondern destiliertem abwaschen
- Keine Schwefelsäure mit unbekannter Sättigung verwenden, sondern welche mit etwa 8%
- Dem Bad Hartanodisierungszusatz beigeben
- Eine Eheim Universalpumpe zur Umwälzung in der Wanne montieren (Habe gelesen dass Pumpen dieses Herstellers aus Säurbeständigen Materialen gebaut werden)
- Die Wanne in eine größere zweite Wanne legen die mit kaltem Wasser gefüllt wird und gegebenenfalls noch gekühlt wird
- Auf das anschließende kochen und färben verzichten, stattdessen nur mit PTFE imprägnieren


Von den Änderungen erhoffe ich mir nochmal wesentlich bessere Oberflächeneigenschaften für den Verwendungszweck. Ich hoffe Ihr könnt mir vielleicht noch weitere Tipps geben, findet weitere Dinge die wir bisher falsch gemacht haben, oder könnt etwas zu den geplanten Änderungen sagen. Was ich auch noch nicht weiß ist, ob ich die Dauer des Eloxierens oder die Stromstärke verändern sollte, oder ein anderes Kathodenmaterial genutzt werden sollte.


Für jede Hilfe bin ich Dankbar.
Gruß und lieben Dank schonmal im Vorraus
Robin



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23. April 2019 16:48.


Re: Härte und Schichtdicke erhöhen
23. April 2019 18:37
Hallo, Robin!

Das Credo des (Hobby-)Eloxierers lautet:

"In einem Bad von 15 - 18 %iger Schwefelsäure werden die Werkstücke 60 Minuten lang bei einem Strom von 1,5 A/cm² unter dauernder Umwälzung anodisiert, wobei die Badtemperatur 15 °C nicht unterschreiten soll, aber 20 °C keinesfalls überschreiten darf!"

Dauernde Umwälzung, damit Temperaturspitzen (z.B. an Werkstückkanten) hintangehalten werden.
Der erforderliche Temperaturbereich ist während der ganzen Anodisierdauer, am Besten durch aktive Kühlung im Bad, sicher zu stellen.
Gefärbt wird nur, wenn es notwendig ist.
Die Härte der entstehenden Schicht ist immer 9 nach Mohs und kann auch nicht verändert werden.
Die Schichtdicke kann erhöht werden. Der Harteloxierzusatz erhöht die Schichtdicke erheblich, ohne besondere Maßnahmen (Unterkühlung, Dichteerniedrigung des Eloxalbades) zu erfordern!
Grundsätzlich sollte jeder Spülvorgang immer mit demineralisiertem Wasser vorgenommen werden. Leitungswasser kann sehr(!!) kalkhaltig sein.
Die offenporige Oberfläche des nicht gesealten (gekochten) Materials kann eine gute Unterlage für die Imprägnierung mit PTFE sein. Bitte probieren!

liebe Grüße, Rudi

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Wenn Du sicher bist, richtig gemessen zu haben, miss nochmal!
Re: Härte und Schichtdicke erhöhen
24. April 2019 08:35
Guten Morgen und vielen Dank für die ausführliche und hilfreiche Antwort :-)


Ein paar Fragen stellen sich mir aber noch:

Weshalb sollte die Temperatur 15°C nicht unterschreiten?
So weit ich verstanden hatte verkleinert dies doch die Poren und trägt dazu bei die Oberfläche abnutzungsresistenter zu machen!?

Und auch ein geringerer Säuregehalt als 15% hätte nur Vorteile für meinen Verwendungszweck oder irre ich mich?

Gefärbt werden muss das Werkstück nicht, unser Netzteil hatte noch eine Menge Luft nach oben und auch zur Kühlung haben wir einige Möglichkeiten.


Gruß Robin.
Re: Härte und Schichtdicke erhöhen
24. April 2019 11:30
Hallo, Robin!

Der elendslange Merksatz, das "Credo", ist eine Beschreibung des dekorativen Anodisierens. Heißt im Klartext, es wird sich - prozesssicher und wiederholbar - eine etwa 15 - 30 µm starke Schicht bilden, die Poren mit genau solcher Öffnung hat, damit jede (im Shop erhältliche) Farbe angewandt werden kann.
Deswegen der Hinweis auf die Minimaltemperatur von 15 °C und die Säurekonzentration von 15%.

Die Erhöhung der Schichtdicke, das sogenannte Harteloxieren, verlangt mehr Schichtaufbau und weniger Rücklösung.
Schichtaufbau heißt Kristallwachstum, ist ein Naturvorgang und braucht seine Zeit. Grundsätzlich hat sich eine Stromdichte von 1,5 A/dm² als sehr brauchbar herausgestellt, es wachsen schöne, regelmäßige Kristalle, und dennoch hält sich der Wärmeeintrag in Grenzen.
Rücklösung ist auch ein Naturvorgang, aber mit Tricks minimierbar:
1) Die Rücklösung wird schwächer bei sinkender Temperatur, deswegen werden bei industriellen Harteloxierungen Säuretemperaturen um die 0 °C und tiefer, wenn möglich, angestrebt.
2) Die Rücklösung wird schwächer bei sinkender Säurekonzentration, deswegen die Verdünnung der Säure auf 5 - 8 %.

Beide Tricks haben Nebenwirkungen!
Die erforderlich geringen Temperaturen erfordern gewaltige Kühl - und Umwälzanlagen.
Die geringe Säurekonzentration bewirkt ein Ansteigen des elektrischen Widerstandes des Anodisierbades. Um den erforderlichen Strom durchs Bad zu treiben, sind Spannungen von 70 bis 100 V nötig. Gleichstrom in diesem Spannungsbereich ist nahezu absolut tödlich.

Dass infolge der oben erwähnten Tatsachen das Harteloxieren mit Schichtdicken von bis zu 0,25 mm der Industrie und dem (konzessionierten) Gewerbe vorbehalten sein wird, leuchtet vermutlich ein.

Für alle, die dekorativ eloxieren, aber dennoch auch etwas höhere Schichtdicken erzielen wolle, gibt es den "Harteloxier"zusatz hier im Shop. Der ermöglicht es, mit der gewohnten Ausrüstung und den gewohnten Parametern wesentlich dickere Schichten zu erzeugen.

In jedem Falle ist Testen und Probieren angesagt, auch auf dem Gebiet des Eloxierens fallen die Meister nicht so einfach vom Himmel...

liebe Grüße, Rudi

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Wenn Du sicher bist, richtig gemessen zu haben, miss nochmal!
Re: Härte und Schichtdicke erhöhen
24. April 2019 14:08
Hallo!

Vielleicht noch als Ergänzung dazu:

Beim Hartanodisieren erhöht man gerne mal den Strom auf 4-5A/dm², um die Prozessdauer erträglich zu halten - aber eben mit den entsprechenden Nachteilen des hohen Wärmeeintrags in das Bad und der nötigen hohen Spannungen.

Industriell werden solche Bäder daher auch massiv umgewälzt und gekühlt, um die Wärme von der Schicht wegzubringen. Dort werden dann pro Minute mehrere Kubikmeter umgepumpt.

Mit freundlichen Grüßen,
Christoph Drube
Electronic Thingks



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 24. April 2019 14:08.
Re: Härte und Schichtdicke erhöhen
25. April 2019 13:46
Ich werde ich eure Tipps berücksichtigen und hoffentlich ein wirtschaftliches und sicheres Mittelmaß finden.

Vielen Dank für so schnelle und kompetente Hilfe.

Gruß Robin
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